Ein Zeitungsbericht:

 

11.08.2004

Kirche & Welt

Hat die Kirche zu viel Geld?


Anfrage: Häufig wird die Behauptung vertreten: „Die katholische Kirche ist sehr reich.“ Wie lässt sich hier gegen kirchenfeindliche Angriffe argumentieren?
 


Der katholischen Kirche gehören über eine Milliarde Menschen an, nahezu ein Fünftel der Weltbevölkerung. Es ist klar, dass die Jahreshaushalte aller kirchlichen Einrichtungen eine gewaltige Summe ergeben. Allein die 27 deutschen Diözesen hatten 2003 ein Kirchensteueraufkommen von knapp viereinhalb Milliarden Euro. Was an teils über Jahrhunderte aufgehäuften Immobilien, Kunstschätzen, Rücklagen existiert, lässt sich praktisch nicht beziffern. Eigentum verpflichtet; dennoch geht der Vorwurf, die Kirche würde Armut predigen und Geld scheffeln, oft von schrägen Voraussetzungen aus.
 

Die Zentralismusfalle: „Die katholische Kirche“ ist eins im Glauben, aber getrennt in der Buchhaltung. Das Geld verteilt sich auf viele Kassen; einige sind gut gefüllt, in anderen liegt nur ein Zettel mit einer großen roten Zahl – siehe Berlin. Eigentümerin von Kirchenvermögen ist nicht „die Kirche“, sondern diejenige juristische Person (zum Beispiel ein Bistum, eine Pfarrgemeinde, ein Orden, eine Stiftung), die dieses Vermögen rechtmäßig erworben hat. Entsprechend gibt es auch getrennte Kirchenhaushalte. Das Bistum Mainz, nach den Finanzen ein Bistum der goldenen Mitte, gibt dieses Jahr 274 Millionen Euro aus; nur die Stadt Mainz verfügt dagegen über einen Verwaltungshaushalt von 538 Millionen, also fast das Doppelte.
 

Die Verfügbarkeitsfalle: Das Erzbistum Köln zählt zu den finanzstärksten Bistümern weltweit. Von den 680 Millionen Euro Gesamtausgaben 2003 flossen 35 Prozent in die Seelsorge, 27 Prozent wurden für Bildungsaufgaben aufgewandt, 17 Prozent für soziale Dienste; die Kirchenleitung kostete knapp 6 Prozent. Am stärksten schlagen bei allen Ausgaben die Lohnkosten zu Buche. Allzuviel lässt sich deshalb vom großen Kuchen nicht abknapsen, ohne die kirchlichen Dienste zu gefährden; das zeigen die Personalkürzungen in vielen Bistümern. Warum dann nicht einfach Immobilien verkaufen? Das Kirchenrecht hat hier eine Bremse eingebaut: Veräußerungen über 10 Millionen Mark müssen vom Vatikan genehmigt werden – denn was einmal aufgezehrt ist, ist weg. Die Vermögenswerte des Vatikans übrigens werden mit 700 Millionen Euro angesetzt. Zum Vergleich: Auf der Liste der reichsten Deutschen rangiert die Grundig-Erbin mit dieser Summe gerade mal auf Platz 99. Nicht berücksichtigt sind in der päpstlichen Bilanz allerdings Kunst- und Kulturschätze. Sie gelten als unverkäuflich und damit wertlos. Beim Petersdom leuchtet das ein, bei der einen oder anderen antiken Statue wäre es vielleicht diskutierbar.
 

Die Jesus-Falle: Hat Jesus nicht seinen Jüngern geboten, nicht einmal ein zweites Hemd mitzunehmen? Richtig, aber schon die Urgemeinde machte einen Unterschied zwischen dem endzeitlichen Zeichen der Armut und einer Kirche, die etwas kostet (siehe Apostelgeschichte 5,1-11). Mancher Bischof wäre froh, wenn er seinen teuren Dom los wäre. Aber Kult braucht einen Ort, und die Kirche ist auch Verwalterin ihrer mitunter prachtvollen Tradition: „Wir essen das Brot, aber wir leben vom Glanz“, schrieb Hilde Domin. Die Kirche steht in der Spannung zwischen Option für die Armen und verschwenderischem Gotteslob (vergleiche Johannes 12,3-5). Beides zählt das Kirchenrecht zu den Zwecken, die Vermögensbesitz rechtfertigen: die Durchführung des Gottesdienstes, die Versorgung der Mitarbeiter, verkündigende und karitative Dienste.
 

Hierin liegen klare Vorgaben, wofür die Kirche Geld einnehmen und ausgeben darf. Damit muss und kann sie sich sachlicher Kritik stellen.
Burkhard Jürgens   Richten Sie Ihre Frage bitte an die Zentralredaktion der NOV, „Anfrage“, Kleine Domsfreiheit 23, 49074 Osnabrück Fax 05 41/31 85 45, redaktion@nov.de

 

 

 

 

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