Dankbarkeit wofür?
 

 

Dies ist die Wiedergabe eines Forumsgesprächs, meine Antwortversuche sind unterstrichen:
 

 

"Ich bin Atheist. Meine Eltern scheinen das für eine Art Krankheit zu halten und meinen immer wieder, dass es vergeht. „In deinem Alter habe ich auch so gedacht“, sagt mein Theologie studierter Vater immer zu mir, ganz so als würde mit dem Alter auch die Weisheit kommen, welche dann unweigerlich zu dem Schluss führt, dass es Gott geben muss. Vielleicht nicht in einer personifizierten Form, so wie es die meisten Menschen wohl glauben, doch irgendwie ist es dann doch da, das omnipotente Wesen, dass von Anbeginn der Zeit da war, und dann irgendwann uns geschaffen hat. Natürlich, schon Äonen von Jahren vor uns gab es Lebewesen auf der Erde, doch selbstverständlich war deren Existenz lediglich eine Notwenigkeit damit es jetzt uns geben kann.

 

Nun, das ein Ungläubiger wie einer bin mit derartigen Vorstellungen Probleme hat ist selbstverständlich, aber darum geht es mir überhaupt nicht: Vor einigen Tage führte ich eine Unterhaltung mit meinem Vater darüber was wäre, wenn es doch einen Gott gäbe, denn ich schließe nicht vollkommen aus, dass es einen Gott gibt. Doch wenn er existieren würde, so wüsste ich nicht, wofür ich ihm dankbar sein sollte. Was wäre ich ihm schon schuldig? Gott mischt sich nicht (mehr?) in unser Leben ein heißt es immer und dies erscheint mir auch sinnvoll."

 

Das nicht vollständige Ausschließen der Existenz Gottes (oder des „höheren Wesens“) ist eine typische Haltung der Agnostiker.

Dass Gott sich nicht mehr einmischt, behaupten die Deisten.

Juden, Christen und Moslems rechnen jederzeit mit einem Eingreifen Gottes in diese konkrete Welt und in ihr konkretes Leben. Die ausdrückliche Bitte darum nennt sich "Gebet".

 

 

 

Denn würde er aktiv in das Leben der Menschen eingreifen, dann müsste man ihn für das gesamte Leid auf der Welt verantwortlich machen. Ein allmächtiges, allwissendes Wesen sollte dafür sorgen, dass nicht 200.000 Menschen täglich an Hunger sterben, dass Bomben auf Zivilkrankenhäuser fallen, oder das gerade die ewig gläubige, fromme und großherzige Nonne einen mehr als schmerzhaften Tod stirbt, weil all ihre Organe langsam vom Krebs befallen werden, bis endlich ihr Herz aufhört zu schlagen. Doch wenn dieses Wesen dennoch das unbeschreibliche Leid tatenlos mit ansieht, dann ist es ein bösartiges, hinterhältiges und verabscheuungswürdiges Wesen, dass den gesamten Hass der Menschen verdient hat.

 

Das ist die klassische Theodizeefrage.

Ich persönlich habe die besten Erfahrungen damit gemacht, dass ich nicht über Gott theoretisiere, sondern ihm genau diese Fragen persönlich stelle.

Wenn du nicht an Gott glaubst, dann sprich mal in Gedanken oder noch besser halblaut "in die Luft": "Gott, wenn es dich gibt, habe ich folgende Fragen an dich:..............., ich warte auf eine Antwort."

 

 

 

Doch so ist es nicht. Gott lässt die Menschen über sich selbst bestimmen. All das Leid, all die Schmerzen sind doch alleine ihr Werk. (Natürlich stimmt auch dies nicht: Kinder werden auch verkrüppelt und verstümmelt geboren ohne das ihre Eltern dafür verantwortlich sind?) Es läge durchaus in der Macht der Menschen, dafür zu sorgen, dass jeder etwas zu Essen, sauberes Wasser und ein Dach über dem Kopf hat, so dass niemand an Hunger, Kälte oder Seuchen sterben müsste. Und genauso läge es auch in ihrer Macht das Töten zu beenden. Doch da sie weder das eine noch das andere tun, ist es wohl auch ihre Schuld, dass das Leid nie enden wird.

 

Eine Mutter Teresa hat mehr bewirkt als tausende Präsidenten und Milliardäre.

 

 

 

Gott hat beschlossen uns unser Leben alleine zu überlassen, er wird hier weder Kranke heilen, noch Mörder strafen. Denkt man darüber nach ist dies auch vollkommen in Ordnung. Denn als allwissendes Wesen trifft es sicher immer die richtigen Entscheidungen, auch wenn der Mensch nicht deren volle Bedeutung erfassen kann und daher nie verstehen wird, warum die Dinge so geschehen wie sie geschehen. (Sintflut? Sodom und Gomorra?) Nun ja, Gott macht schließlich keine Fehler und ein einfaches Wesen wie der Mensch sollte gar nicht erst versuchen den göttlichen Plan (einfach gar nichts machen und abwarten bis alle tot sind) zu verstehen.

 

So einseitig sehe ich das nicht.

Die Bibel betrachtet den Plan Gottes aus verschiedenen Perspektiven.

„Meine Pläne sind nicht eure Pläne“  aber auch:

„Zeige mir den Weg, den ich gehen soll, lehre mich, Herr, deine Pfade.“

 

 

 

Leider konnte mir mein Vater keine Antwort auf die Frage bezüglich der Dankbarkeit geben. Für ihn scheint jede Diskussion damit beendet zu sein, dass er den anderen mit vollkommen nutzlosen und themenfernen Informationen in einen Zustand hilflosen Unverständnisses versetzt. Wenn einem dann nach einigen Sekunden aufgeht dass es dem eben Gehörten an jedem Bezug auf das eigentliche Diskussionsthema mangelt, ist er längst verschwunden. Also muss ich mir meine Frage entweder selber beantworten, oder wo anders Hilfe suchen.

 

Oder Gott selbst fragen...

Selbst wenn du aufrichtiger weise nicht mehr sagen kannst als: „Gott, wenn es dich gibt, dann möchte ich mit deiner Hilfe Einiges besser verstehen.“

 

 
 

 

Gott hat mich nicht geschaffen, das haben meine Eltern ganze alleine hinbekommen. Sie haben dem Kondom zwar mit Sicherheit nicht das Loch verpasst dem ich meine Existenz verdanke, doch Gott hat damit ebenso wenig zu tun. Da habe ich eben Glück gehabt.

 

Die Eltern sind Mitschöpfer durch die Gnade Gottes, der auch sie erschaffen hat.

 

 

 

Auch sonst hat sich Gott noch nie in mein Leben eingemischt. Genauso wenig, wie er sich in das Leben von irgendjemand anderem auf diesem Planeten eingemischt hat. Nicht in den letzten 2000 Jahren.

 

Dann lies einmal die Lebensgeschichte von Aurelius Augustinus, Franz von Assisi, Edith Stein oder C.S. Lewis. Alle voll daneben, bis Gott sich in ihr Leben eingemischt hat.

 

 

 

Also bin ich ihm weder für meine Existenz, noch für die Möglichkeiten wie ich mein Leben führen kann dankbar. Ich bin kein hungerndes Kind wie Millionen andere; ich bin gut versorgt, kann studieren und werde vermutlich später einen guten Job haben, der mir ein halbwegs erträgliches Leben ermöglicht. Das kann vielleicht einer von neun oder zehn Menschen auf der Welt von sich behaupten. Ich bin zwar nicht glücklich, aber mir geht es gut. Ich beschwere mich über Kleinigkeit während andere ein Leben fristen, das nur von Hass, Schmerzen und durchaus begründeten Existenzängsten erfüllt ist. Ich bin zutiefst undankbar, obwohl ich sehe, wie unangebracht das ist. Natürlich sehe ich ein, dass ich einer von wenigen bin, der die Chance, bekommt etwas aus sich zu machen und dass ich dafür dankbar sein sollte, doch diese Dankbarkeit gilt nicht Gott und auch keinem seiner geflügelten Hippies im Schlafanzug, denn die haben mich nicht in diese Lebenssituation geboren. Ich schätze eben weil ich nicht weiß wem ich danken sollte, bin ich so undankbar.

 

Ein Philosoph hat einmal gesagt: “Das größte Problem eines Atheisten ist, dass er nicht weiß, bei wem er sich bedanken soll.“

Ich würde an deiner Stelle nicht dabei stehen bleiben, über den eigenen Undank zu klagen, sondern einfach einmal mit dem Danken beginnen.

Gründe dafür hast du ja schon in ausreichender Zahl genannt...

 

 

 

Und wenn mir irgendjemand erzählen will, dass Gott vor Urzeiten alles so arrangiert hat, dass ich jetzt so lebe, so kann ich ihm nur sagen, dass Gott in diesem Fall wohl das Abartigste ist, was überhaupt in meiner Vorstellungskraft liegt. Denn dann hätte Gott auch die Ermordung von sechs Millionen Juden arrangiert, die Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki geworfen und über Jahrtausende auf grausamste Art und Weise ganze Völker ausgerottet. Ich denke diese Dinge will niemand in Gottes Verantwortung legen und so ist er auch nicht für meine Existenz verantwortlich.

 

Und was, wenn Gott alles gut erschaffen hat und bis heute nur das Beste für seine Schöpfung will, aber der Mensch seinen ihm geschenkten freien Willen immer wieder dazu missbraucht, um Gottes Pläne zu durchkreuzen...

 

 

 

 

Sicher gibt es Menschen, die sagen würden, dass ich Gott trotzdem für meine Seele dankbar sein sollte, aber um ehrlich zu sein, ich weiß nicht einmal, was das ist – eine Seele. Wo ist meine Seele? Wie sieht sie aus? Aber viel wichtiger, wofür brauche ich sie? Jemand sagte zu mir, dass erst meine Seele mich von den Tieren unterscheidet, doch natürlich wusste auch er nicht worum genau es sich bei diesem Ding handelt. Ich persönlich vertrete die Ansicht, dass uns überhaupt nichts von den Tieren unterscheidet, im Gegenteil, wir sind genauso Tiere wie der kleine pelzige Vierbeiner, der uns freudig begrüßt wenn wir nach Hause kommen: Wir mögen vielleicht die Spitze der Evolution sein, Tiere und Natur unserem Willen unterworfen haben, doch das liegt mit Sicherheit nicht an einem undefinierten Ding, das uns Gott irgendwann zwischen Befruchtung der Eizelle und unserer Geburt eingehaucht hat, sondern an einem etwas weiterentwickelten Gehirn. Hätte die Menschheit aus einer Horde von Minderbemittelten bestanden, so wäre sie längst ausgestorben, da hätten auch ihre Seelen sie nicht vor bewahrt.

 

Vernunft ist mehr als ein etwas weiter entwickeltes Gehirn.

Aber die Vernunft ist natürlich auch noch lange nicht alles.

Der große Physiker Blaise Pascal hat gesagt: „Die letzte Schlussfolgerung der Vernunft besteht darin, dass sie erkennt, dass es eine Menge Dinge gibt, die sie übersteigen.“

 

 

 

Davon abgesehen, das ich starke Zweifel an der Existenz von Seelen habe, hätte ich nicht einmal einen Nutzen davon wenn es sie doch gäbe. Ich habe immer den Eindruck, dass ich ohne Seele genauso gut dran wäre. Also warum sollte ich Gott dankbar dafür sein, dass er mir etwas gegeben hat, das ich nicht gebrauchen kann. Nein, dieser Gott verdient meine Dankbarkeit und meinen Glauben nicht, ob er nun da ist oder nicht macht überhaupt keinen unterschied mehr. Niemand würde es merken wenn er sich vollkommen von den Menschen abwenden würde und um ganz ehrlich zu sein denke ich, dass er falls er irgendwann mal da war, es längst nicht mehr ist.

 

Zur Seele habe ich im thread ein Zitat aus dem Katechismus der Katholischen Kirche gebracht, dessen Lektüre ich dir ausdrücklich empfehle.

Ein weiteres Buch, das dich ansprechen könnte ist  „Pardon, ich bin Christ“ von C.S. Lewis.

 

 

 

Also wofür sollte ich ihm noch dankbar sein?"

 

„Lieben heißt Lieben wollen“, hat Franz von Sales gesagt.

„Danken heißt Danken wollen“, könnte man ergänzen.

 

Wir sind nicht als Pessimisten oder Optimisten geboren.

Unsere Weltsicht hängt auch von unserem Willen ab, das Gute sehen zu wollen.

 

 

Gott segne dich

pfaffenheini

 

 

 

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